Donnerstag, 9. Dezember 2010

Kahlschlag im Grüngürtel

Treubau ließ auf einem Grundstück in Betzenhausen, das ihr noch nicht gehört, Bäume fällen.
BETZENHAUSEN. Kahlschlag im Freiburger Westen: Im Betzenhauser Quartier Bischofslinde ist ein kleines Wäldchen ohne Genehmigung abgeholzt worden. Den Motorsägen fielen dabei auch Bäume zum Opfer, die durch die Baumschutzsatzung geschützt waren. Auftraggeber war das Bauunternehmen Treubau, das die Fläche kaufen und dort Wohnungen errichten möchte. Der Fehler habe jedoch bei der Gartenfirma gelegen, beteuert die Treubau. Die Anwohner vermuten indes, dass das Bauunternehmen "Fakten schaffen wollte". Die Stadtverwaltung prüft rechtliche Konsequenzen.
Anwohner Rolf Hofmann kann es immer noch nicht fassen. Kopfschüttelnd blickt er auf das, was von dem kleinen Wäldchen hinter seinem Haus in der Ricarda-Huch-Straße noch übrig geblieben ist. Statt haushoher Bäume stehen nur noch einzelne Stümpfe herum, auf dem Boden liegt abgeholztes Gestrüpp. "Es ist eine Schande", sagt Hofmann. Fast 30 Jahre lang haben er und die anderen Anwohner sich an dem kleinen Grüngürtel hinter ihren Häusern erfreut – der nicht zuletzt auch den Lärm vom nahe gelegenen Zubringer-Mitte abhielt. Jetzt ist alles kahl. In einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" seien die Bäume abgeholzt worden, erzählt der Anwohner. Sechs Männer hätten plötzlich mit Motorsägen auf dem Grundstück gestanden – und kurzen Prozess gemacht. Alles sei ganz schnell gegangen.
Die Anwohner setzten sich sofort mit der Stadtverwaltung in Verbindung. Kurze Zeit später sah sich eine Mitarbeiterin den Schaden vor Ort an – und veranlasste sofort, dass die Arbeiten gestoppt werden. Denn die Treubau habe keine Fällgenehmigung gehabt, sagt Rathaussprecherin Martina Schickle. Unklar ist derzeit, wie viele der gefällten Pflanzen unter die Baumschutzsatzung fallen und damit illegal abgeholzt wurden (siehe Info-Box). Dies wird derzeit in der Stadtverwaltung geprüft. Erst dann entscheidet das Rathaus über rechtliche Konsequenzen.

Die Anwohner gehen davon aus, dass der Motorsäge insgesamt rund 70 bis 80 – zum Teil allerdings auch kleinere – Bäume zum Opfer gefallen sind. Die Treubau AG glaubt indes, dass nur drei bis fünf der abgeholzten Pflanzen durch die Baumschutzsatzung erhaltenswert gewesen wären. Laut Treubau-Vorstand Torsten Weiß lag der Fehler einzig und allein bei der von seinem Unternehmen beauftragten Gartenfirma. Diese habe entgegen der Absprache auch größere Bäume gefällt. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagt Weiß. Die Gartenfirma habe nur den Auftrag gehabt, "Gestrüpp" von dem Grundstück zu entfernen, damit die Treubau den Boden für die weitere Planung besser untersuchen könne.

Anwohner Rolf Hofmann glaubt indes nicht an die guten Absichten der Treubau. "Da sollten schon einmal Fakten für die Bebauung geschaffen werden", sagt er. Allerdings: Bislang ist noch gar nicht klar, ob und wie die Treubau das Gelände überhaupt bebauen darf. Denn die knapp 10 000 Quadratmeter große Fläche gehört dem Bauunternehmen noch gar nicht. Nach einer Insolvenz des bisherigen Eigentümers wird das Grundstück erst am 17. Dezember zwangsversteigert. Deshalb versteht die Stadtverwaltung auch "die Hektik nicht, mit der die Treubau agiert hat", sagt Martin Leser, stellvertretender Leiter des Garten- und Tiefbauamts. Schließlich sei "die Baumschutzsatzung keine Bauverhinderungssatzung". Die Stadtverwaltung vor vollendete Tatsachen zu stellen, sei in jedem Fall keine gute Idee. Obwohl so etwas auch kein Einzelfall sei: Dass Bauunternehmen schon einmal vorsorglich Bäume abholzten, komme immer mal vor, sagt Leser. Vor einigen Jahren hielt sich sogar das städtische Wohnungsunternehmen Freiburger Stadtbau nicht an die Baumschutzsatzung: Für ein Bauprojekt im Stadtteil Weingarten wurden fünf Bäume zu viel abgeholzt.

BAUMSCHUTZSATZUNG



Die Freiburger Baumschutzsatzung schreibt vor, dass Bäume mit einem Umfang von 80 Zentimetern und mehr erst gefällt werden dürfen, wenn vorher ein Experte der Stadtverwaltung seine Einschätzung abgegeben hat. Auch Baumgruppen sind geschützt. Bei Neubauprojekten wird abgewogen, was mit den Bäumen passiert. Nach Möglichkeit werden die Pflanzen erhalten. Generell gilt aber: Baurecht steht über Baumrecht. Müssen einzelne Bäume für neue Häuser gefällt werden, gibt es für den Eigentümer die Möglichkeit, auf dem Grundstück selbst Ersatz zu schaffen oder aber eine Ausgleichszahlung an die Stadtverwaltung zu entrichten, so dass diese an anderer Stelle neue Bäume pflanzen kann.  

09. Dezember 2010
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.
von: Beate Beule

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